Sanktannaer Mundart

 

Barbara Novak 2006 

 

Die Sanktannaer sprechen die südfränkische Mundart.

 

In der Sanktannaer Mundart kommen Laute vor, die es in der hochdeutschen Standardsprache nicht gibt. Es ist einerseits ein Laut zwischen a und o, der hier mit  „å“ wiedergegeben wird  und andererseits ein dumpfer, a-haltiger Murmelvokal, der hier mit „ā“ wiedergegeben wird.

Beispiele:

åånā, glåånā, dāhååm = einer, kleiner, daheim

 

Die Redewendungen aus dem Kraichgau von der südfränkischen Mundart sind den Sanktannaern zum größten Teil wortwörtlich bekannt, und die alten Wörter auch.

Der größte Teil der Sanktannaer stammt aus dem südlichen Teil des Kraichgaus, wo man „Sunnā (Sonne) und mied (müde)“ sagt.

Diese Ortschaften grenzen zum Teil an schwäbische Ortschaften, daher die Bezeichnung „Dachdrafschwoowā“, da sich hier das Fränkische mit dem Schwäbischen vermischt.

 

Einfluss auf verschiedene Wörter hatte hier im Kraichgau auch die französische Sprache:

Lawår = Waschschüssel, Plafo = Zimmer-Decke, Parasol = Sonnenschirm

 

Einige Landsleute aus Sanktanna verschlug es nach dem zweiten Weltkrieg ins Kraichgau. Sie machten uns schon vor Jahren darauf aufmerksam, dass um 1945 hier, noch fast so wie in Sanktanna gesprochen wurde. Vieles war hier wie in Sanktanna.

1745 bis 1945, 200 Jahre stand die Zeit hinsichtlich der Wirtschaft still.

Tiefenbach, Odenheim und Eichelberg, Ortschaften, aus denen Menschen im 18. Jahrhundert nach Sanktanna ausgewandert sind, gehören heute zu Östringen. Aus diesem Grund besorgte ich mir das Östringer Wörterbuch, genannt „Eeschdringä Wäddäbuuch“.

Hermann Dischinger, der Autor dieses Buches bestätigt darin das, was einige Landsleute sagten. Nämlich dass bis 1944 noch in so manchen  Kraichgauortschaften, fast wie in  Sanktanna gesprochen worden sei. Durch die vielen Zuzüge von Menschen aus anderen Gegenden Deutschlands und aus dem Ausland, aber auch durch den wachsenden Einfluss der Medien hat sich die Mundart stark verändert.

 

„1944 sagte man noch ruich, Durrichbruch, Dummbabblä, Gjåmmä, Glendä.

1973 sagte man schon ruhig, Durchbruch, Dummschwädzä, Gejåmmä, Geländä“.

 

Allerdings gehört Östringen noch zu dem Gebiet, in dem man hosch und Sun sagt, während schon in den Nachbargemeinden hasch und Sunä gesagt wird, so, wie in Sanktanna.“

 

Hermann Dischinger schreibt folgendes:

Besonders fiel Frau Novak in meinem Wörterbuch auf, dass sie selbst aktiv viele der Redewendungen gebrauchte, die hier bei uns schon etwas rückläufig sind, zumindest bei den Jüngeren.

Beispiele:

Dischinger: Hewwe die en Läbbdag g`macht.

Sanktanna:  Henn die en Lebbdag g`macht.

Hochdeutsch: Haben die eine Unordnung gemacht

 

Auch die Aussprache, vor allem der typische å-Laut, ist in unseren Dialekten identisch.

Beispiele:

Dischinger:      Ånne, ånner, dähååm, dånn,...

Saktanna:         Ånne, ånder, dähååm, dånn,...

Hochdeutsch:  Anna, andere, daheim, dann

 

Auch die Einschiebung eines Vokals bei Doppelkonsonantenfolge am Wortende ist ein Merkmal, das in unseren Dialekten zu finden ist.

Beispiele:

Dischinger:      Millich, arrig, durrich, horrich, Marrik

Sanktanna:       Millich, arrig, durrich, horrich, Marrik

Hochdeutsch:  Milch, arg, durch, horch, Markt

 

Natürlich sind die Dialekt-Formen verschiedener Kraichgaugemeinden im Sanktannaer Dialekt vertreten, aber das ist ja ganz normal. Bei manchen Wörtern haben sich wahrscheinlich die Formen durchgesetzt, die näher am Hochdeutschen waren und daher verständlicher und allgemein akzeptiert wurden. Dies zeigt sich schon an dem Beispiel Östringen-Eichtersheim. Gehen wir hier „runner und nunner“ gehen sie in unserer Nachbargemeinde bereits „runder und nunder“. Oder „Hot-mär bei uns ebbes“, dann „hat-mer dort ebbes“, „hewwe mir d'Sunn“ dann „henn die d'Sunne“ usw.

Das „r“ wurde früher viel stärker gerollt. Auch unter meinen Verwandten der vorigen Generation waren manche, die das r „gelorrrrbst“ haben, d. h. man konnte entweder mit der Zungenspitze oder dem Gaumenzäpfchen das „r“ so stark rollen, dass es drei bis vierfach rollend zu hören war. In meiner Verwandtschaft waren beide Varianten vertreten“.

Da die Sanktannaer diese Mundart 1751 von hier nach Neu-Sanktanna mitnahmen, kann man sagen, dass diese Mundart mindestens 300 Jahre alt ist.

Einige Sanktannaer Wörter wurden von der ungarischen Sprache übernommen wie z.B.:

Gåbat = Mantel, Batsche = älterer Mann, Nene = ältere Frau, Fäschteg = Farbstifte  

Von der rumänischen Sprache wurde erst in den letzten Jahren einiges übernommen wie z.B.: Televisor = Fernseher, Priesā = Steckdose“

 

In dem Buch „Deutsche Dialekte in Rumänien“; Die Südfränkischen Mundarten der Banater Deutschen Sprachinsel von  Katharina Barba, 1982 wird die Sanktannaer Mundart als südfränkische Mundart eingestuft.

 

Dr. Rudolf Post (Germanistik Uni-Freiburg. Arbeitsbereich Badisches Wörterbuch) schreibt Folgendes: „Frau Barbara Novak hat richtig beobachtet. Die Mundart von Sanktanna im Banat gilt als südfränkisch und südfränkisch ist das Gebiet zwischen dem Pfälzischen, Ostfränkischen, Schwäbischen und Alemannischen. Also, das südliche Bauland, der Kraichgau, Bruhrein, Pfinzgau.

Schon während der Zeit, in der ich am Pfälzischen Wörterbuch arbeitete, habe ich mich mit diesen Siedlungsdialekten in Südosteuropa befasst und ich war auch mehrmals im Banat und habe seit langer Zeit Kontakte zum Wörterbuch der Banater Mundarten in Temeswar.

Zur Zeit betreue ich hier  eine DAAD-Stipendiatin von der Uni Temeswar, die am Banater Wörterbuch arbeitet. Wir sind hier „Experten“.

„Sehr geehrte Frau Novak, vielen Dank für Ihre Mail und den Anhang mit Ihren interessanten Darstellung zu den Mundarten des Kraichgaus und zu Sanktanna im Banat. Frau Alvine Ivanescu vom Banater Wörterbuch aus Temeswar und ich haben ihre Abhandlung durchgelesen und finden, dass sie eine vielseitige und sowohl für Kraichgauer als auch Banater interessante Darstellung geschrieben haben, die sicherlich ihre Leser finden wird. Sie haben einige Literatur durchgesehen und ausgewertet und grundsätzlich hat alles seine Richtigkeit“.

 

 

Dr. Hans Gehl schreibt folgendes:

„In meiner Dissertation von 1976 an der Universität Temeswar habe ich die Banater südfränkischen – zwischen den fränkischen und schwäbischen stehenden - Mundarten (von Sanktanna, Hellburg/Schiria, Galscha, Pankota, Glogowatz und Baumgarten) beschrieben und nach den Kennwörtern: fescht, Apfel, (ge)bliewe, henn, haam, Seife den hypothetischen Entsprechungsraum für Sanktanna und Glogowatz in einem Bereich zwischen Karlsruhe, Bruchsal, Heidelberg, in Richtung Wertheim, ermittelt. Meine vor 30 Jahren geäußerte linguistische Annahme scheint sich nun durch historische und ethnografische Befunde zu bestätigen. Die Entdeckung dieser gemeinsamen Wurzeln drückt Barbara Novak in bewegten Worten in ihrem Beitrag „Vom Kraichgau nach Sanktanna und zurück" aus. Zusammen mit anderen Landsleuten, die seit ihrer Rückkehr im Kraich­gau sesshaft wurden, stellte sie viele Gemeinsamkeiten dieses Gebiets mit der Banater Heimat fest.

Darauf antwortet die kürzlich erschienene Broschüre Vom Kraichgau nach Sanktanna auf 80 Seiten, deren ISBN-Nummer ihre Aufnahme in wichtige Landesbibliotheken ermöglicht. Die Gemeinschaftsherausgeber, der Heimatverein Kraichgau e. V. Sinsheim und die HOG Sanktanna fanden kompetente Autoren zur Darstellung und Untermauerung der engen Beziehungen zwischen dem Kraichgau und der heutigen Banater Kleinstadt Sanktanna, die vor 250 Jahren durch die Auswanderung ins ferne Banat unterbunden wurden und heute, nach der Rücksiedelung vieler Sanktannaer in ihr Herkunftsgebiet, wieder intensiviert werden“.